Tuesday, August 12, 2014

Was kann ich tun bei Suizidgedanken?

Erstmal vorneweg für alle, die gerade nicht Zeit und/oder Nerv haben sich den gesamten Text durchzulesen: Die Telefonseelsorge ist 24 Stunden am Tag erreichbar: 0800/1110111 oder 0800/1110222 (http://www.telefonseelsorge.de/). Im akuten Notfall könnt ihr euch auch 24/7 an die nächste Psychiatrie wenden (keine Sorge: In der Regel wird man nicht automatisch zwangseingewiesen). Ihr könnt euch auch an Krisendienste (http://www.krisen-intervention.de/suizikrs.html) oder an euren behandelnden Fach- oder Hausarzt wenden. Wer Freunde oder Verwandte hat, denen er vertraut und denen er auch zutraut, dass sie mit solch schwierigen Themen klar kommen, kann natürlich auch mit denen sprechen (es kann aber sein, dass Reaktion vom persönlichen Umfeld nicht immer wie gewünscht ausfallen, Fachkräfte können damit oft professioneller umgehen).

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Ihr merkt, dass ihr Suizidgedanken habt? Erstmal: Keine Panik und keine Selbstvorwürfe. Suizidgedanken kommen in ganz vielen verschiedenen Abstufungen. Versucht in euch hinein zu hören, wie eure Gedanken aussehen und wie stark sie sind.

Habt ihr einfach den Wunsch am nächsten morgen nicht mehr aufzuwachen? Dieser Wunsch ist bei Depressionen und anderen psychischen Gedanken ganz normal, es gibt wahrscheinlich keinen Depressiven, der sich das noch nie gewünscht hat. Auch bei nicht-krankhaften größeren Krisen, kann es zu solchen Gedanken kommen. Die meisten Menschen werden sich an irgeneinem Punkt in ihrem Leben mit diesem Wunsch konfrontiert sehen.
Doch auch wenn es „nur“ ein theoretischer Wunsch bleibt, ist es immer ratsam sich näher anzuschauen, was zu diesem Wunsch geführt hat, und darüber zu reden/sich Hilfe zu suchen.

Wird der Wunsch stärker? Überlegt ihr dem Wunsch nachzuhelfen und ihn in aktive Handlungen umzusetzen? Auch hier sollte man wieder schauen, wie konkret und wie stark die Gedanken an eine Umsetzung sind? Denn auch bei konkreteren Suizidgedanken gibt es noch viele verschiedene Abstufungen.

Habt ihr einen konkreten Plan, wie ihr euch umbringen würdet? Habt ihr vielleicht sogar schon die notwendigen Mittel besorgt? Bestimmen die Suizidgedanken einen Großteil eures Denkens? Informiert ihr euch stundenlang über mögliche Suizidmethoden? Fällt es euch schwer, euch von den Gedanken abzulenken? Habt ihr Gründe, die für das Leben oder gegen den Suizid sprechen? Fangt ihr an diese Gründe zu relativieren (wie z.B. „meine Angehörigen werden schon drüber hinweg kommen“)? Traut ihr euch zu die Suizidgedanken auch tatsächlich umzusetzen?

Das sind alles Fragen, die dabei helfen können für sich, oder auch im Gespräch mit Anderen/Pychologen, heraus zu finden, wie stark die eigenen Suizidgedanken sind. Besonders gefährlich wird es, wenn man das Gefühl hat eine Entscheidung (für den Suizid) getroffen zu haben und sich dadurch ereichtert oder befreit fühlt. In dem Fall sollte man sich wirklich schnellst möglich Hilfe suchen oder am Besten direkt in die nächste Psychiatrie fahren.
Aber auch ohne diese „aktive“ Entscheidung, kann die Situation schon kritisch oder gefährlich sein. Die Frage, wann man sofort handeln und zur Psychiatrie fahren sollte, und wann es noch nicht ganz so kritisch ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Bei jedem sind die akuten Gefahrenanzeichen anders. Generell wird in der Psychologie davon ausgegangen, dass konkrete Suizidpläne gefährlicher sind als abstrakte Gedanken, Relativierung der Gründe die gegen den Suizid sprechen sind gefährlich und Suizidgedanken die sich auch ungewollt aufdrängen sind gefährlich. Aber wie gesagt, pauschalisieren lässt sich das nicht, jeder muss für sich lernen auf das eigene Gefühl und eigene Warnzeichen achten.

Egal wie stark eure Suizidgedanken sind, sie sind immer Zeichen eines schwereren grundlegenden Problems. Redet über das Problem, sucht euch Hilfe, und in fast allen Fällen ist auch eine Therapie zu empfehlen. Zuhörer können sein: Psychiater, Therapeuten, Krisendienste, Telefonseelsorge, Hausärzte (auch wenn die in dem Gebiet nicht immer ideal ausgebildet sind), und wenn ihr ihnen den Umgang mit so einem schwierigen Thema zu Mutet auch Freunde und Familie.

Habt ihr das Gefühl eure Suizidgedanken werden akuter und driften in eine gefährliche Richtung? Ihr könnt euch jederzeit – Tag und Nacht – an die nächste Psychiatrie oder psychiatrische Ambulanz wenden. Entweder ihr ruft vorher dort an, oder ihr fahrt direkt dorthin. Falls ihr euch in einem emotionalen Außnahmezustand befindet, ist es besser wenn ihr nicht selber fährt, sondern euch ein Taxi nehmt (ggf öffentliche Verkehrsmittel) oder euch von jemandem fahren lässt. Allein der Umstand, dass ihr Suizidgedanken zu haben, bedeutet nicht, dass ihr auch automatisch zwangsweiße dabehalten werdet. Zunächst wird sich ein Arzt mit euch unterhalten und schauen, wie es euch geht, was das Problem ist, und wie konkret und akut eure Gedanken sind. Dann werden sie überlegen, ob man euch auch schon durch ein Gespräch und/oder beruhigende Medikamente ausreichend helfen kann (es wird euch in der Regel auch niemand dazu zwingen, die Medikamente zu nehmen). Nur wenn der Arzt den begründeten Verdacht hat, dass ihr euch in akuter Lebensgefahr befindet, wird er euch auch gegen euren Willen aufnehmen.
Eine Option ist aber auch immer sich freiwillig aufnehmen zu lassen. Wer freiwillig kommt, kann auch jederzeit freiwillig wieder gehen (außer es besteht die akute Gefahr von Fremd- oder Eigengefährdung). Die meisten Psychiatrien sind nich wie bei „Einer flog übers Kuckucksnest“ (gut ein paar schwarze Schafe gibt es überall). Nicht nur sabbernde, vor sich hin murmelnde, total desorientierte Menschen sind Patienten in der Psychiatrie. Solche Patienten mag es zwar auch geben, aber viele Patienten sind klar im Kopf, und sind aufgrund von Depressionen, Suizidgedanken, Suchterkrankungen, akuten Krisen, Persönlichkeitsstörungen oder Traumata dort. Auch Fixierungen und Zwangsmedikationen kommen in den meisten Psychiatrien kaum noch, und wenn dann nur als letzte Möglichkeit vor.

Was auch helfen kann: Gibt es Gründe die fürs Leben sprechen? Wenn ihr diese Gründe nicht mehr sehen könnt, kann es für den Moment auch schon ausreichen sich zu überlegen, was gegen den Suizid spricht: Habt ihr Freunde oder Verwandte? Wollt ihr wirklich, dass sie um euch trauern müssen? Habt ihr irgendwelche Ziele, Träume oder Wünsche ans Leben (gehabt)? Noch einmal Achterbahn fahren, eine Familie gründen, nach China reisen usw.

Und wenn das alles nichts hilft: Ihr müsst die Entscheidung nicht sofort treffen. Der Tod rennt euch nicht davon, ihr könnt euch immer noch morgen oder in zwei Wochen oder in einem Jahr umbringen. Gebt euch die Zeit, und wenns nur ein oder zwei Tage sind. Schlaft nochmal drüber. Trefft keine vorschnellen Entscheidungen aus dem Affekt heraus. Zu leben oder zu sterben ist die wichtigste und essentielle Entscheidung, die ihr in eurem Leben je treffen könnt, sie verdient es, dass man sich Zeit nimmt über sie gründlich nachzudenken.


Fazit: Habt ihr Suizidgedanken? Geratet nicht in Panik, macht euch keine Selbstvorwürfe, sucht euch Hilfe und redet darüber. Denkt darüber nach was gegen einen Suizid sprechen könnte, und trefft keine vorschnellen Entscheidungen. Im akuten Notfall: Fahrt zur nächsten Psychiatrie.


Für Angehörige: Nehmt Suizidgedanken ernst, fragt ggf. direkt nach Suizidgedanken, verurteilt nicht, gebt dem Betroffenen das Gefühl für ihn da zu sein, hört zu, achtet auf eure eigenen Grenzen, und im akuten Notfall wählt die 110. Weitere Tipps für Angehörige: http://femipression.blogspot.de/2014/08/dos-and-donts-im-umgang-mit.html

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