Wednesday, August 6, 2014

Mein Verständnis von Feminismus und wie ich dazu kam

Sollte euch der Text zu lang sein, und solltet ihr euch eher für meine Definition von Feminismus interessieren und weniger dafür wie ich zum Feminismus gekommen bin, könnt ihr auch runterscrollen zum fünften Absatz, der anfängt mit "So viel zu der Frage".



Bevor ich anfing mich für den Feminismus zu interessieren, hatte ich immer die Ansicht der heutige Feminismus sei total überholt und übertrieben. Klar, früher wär Feminismus vielleicht mal ganz gut und notwendig gewesen, aber heutzutage seien wir doch gleichberechtigt und bräuchten wir das alles nicht mehr. Außerdem hatte ich auch das Klischee von aggressiven, männerfeindlichen Frauen, die uns alle gleich machen wollen und sowohl die Exitenz von Gentlemen als auch Hausfrauen komplett auslöschen wollen, vor Augen. Ich persönlich stehe auf Gentlemen, rote Rosen, aufgehaltene Türen, und finde ein bisschen Beschützerinstinkt sexy. Ich dachte meine Vorstellung eines Traummanns bzw. einer für mich guten Beziehung würde den Vorstellungen des Feminismus wider sprechen. Und außerdem habe ich wie gesagt, die Notwendigkeit von Feminismus damals nicht gesehen.


Angefangen hat bei mir alles durch die Slutwalkbewegung. 2011 hat ein Polizist bei einer Univeranstaltung in Toronto gesagt, dass Frauen sich nicht wie Schlampen kleiden sollten um nicht Opfer von Vergewaltigungen zu werden. Diese Aussage ist sowohl faktisch falsch, da Kleidung in keinem Zusammenhang mit sexueller Gewalt steht (bei sexueller Gewalt geht es nicht um Sex an sich, sondern um Macht und Kontrolle über einen anderen Menschen. Für die Machtausübung ist es vollkommen wuppe, was das Opfer für Klamotten trägt). Außerdem ist die Aussage Teil von victim-blaming und rape culture.
Die Slutwalks sind weltweite Demonstration, die als Auslöser die Aussage des genannten Polizisten hatten, sich aber generell gegen Vergewaltigungsmythen, victim-blaming, rape culture, Sexismus und slut-shaming richten. Ich wusste noch nicht allzuviel über Themen wie rape culture und Feminismus, aber ich wusste, dass Aussagen wie die des Polizisten falsch sind. Daher entschied ich mich auch beim Slutwalk 2011 teilzunehmen.


Der Slutwalk war der Auslöser, dass ich anfing mich mehr mit dem Thema sexuelle Gewalt zu beschäftigen. Ein bisschen was zu dem Thema wusste ich schon aus meinem Interesse für Psychologie heraus, aber gerade die gesellschaftlichen, juristischen und politischen Dimensionen in Bezug auf das Thema, waren mir größtenteils noch unbekannt. Früher dachte ich ja auch mal, dass Vergewaltigungsopfern nach der Tat eine Welle von uneingeschränkter Solidarität und Unterstützung entgegen kommen würde...ja, ich weiß, so naiv war ich mal.
Ich fing an mich über den Begriff „rape culture“ zu informieren (dieser Artikel war einer meiner ersten und besten Informationsquellen: http://www.shakesville.com/2009/10/rape-culture-101.html ). Umso mehr ich zu dem Thema lies, desto mehr wurden mir die Augen geöffnet. Ein riesengroßer Berg von Ungerechtigkeit wurde plötzlich sichtbar, für den ich vorher blind gewesen war.


Vom Thema „rape culture“ und sexuelle Gewalt ist der Sprung zum Feminismus an sich, dann auch nicht mehr weit. Ich fing an mich mehr über Feminismus zu informieren, und auch hier jagte ein Aha-Moment den nächsten. Eine Bekannte sagte mal, anzufangen sich mit dem Thema Feminismus zu beschäftigen, ist wie bei Matrix die rote Pille zu nehmen (oder ist es die blaue Pille? Hab den Film nie gesehen). Man sieht plötzlich die Realität so wie sie wirklich nicht, und kann nicht mehr zu dem Ort zurück gehen wo man die Wirklichkeit noch nicht gesehen hat – einmal gesehenes kann nicht mehr ungesehen gemacht werden. Ähnlich ging es mir beim Feminismus, und ich gebe zu, ich hatte auch immer wieder Zeiten in denen ich mir wünschte, ich hätte mir die scheiß Realität nie näher angeguckt (weggucken und in einer Illusion leben, kann manchmal einfacher/angenehmer sein als sich der ungerechten Wirklichkeit zu stellen).


So viel zu der Frage, wie ich zum Feminismus gekommen bin. Nun dazu, was ich unter dem Begriff Feminismus verstehe. Feminismus ist eine Bewegung, die sich für die Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sexueller Orientierung oder anderer Merkmale, einsetzt. Außerdem kämpft der Feminismus gegen Diskriminierung, Patriarchat und Unterdrückung.
Mit Gleichberechtigung ist nicht Gleichmachung gemeint. Wir fordern nicht, dass absofort alle Männer Röcke tragen müssen, und dass kein Mann mehr einer Frau die Tür aufhalten darf. Die Schlüsselbegriffe sind „Entscheidungsfreiheit“ und „freie Entfaltungsmöglichkeiten“.
Wenn ich mich nun also dazu entscheiden sollte, später mal Hausfrau werden zu wollen, dann ist das meine freie Entscheidung und vollkommen leigitim. Wichtig ist nur, dass ich die Möglichkeit habe frei zwischen Hausfrauendasein und Karriere zu entscheiden.


Dem Feminismus geht es nicht nur um Frauen. Es geht auch um die Rechte von Männern und Trans*. Manch einer sagt, dass man die Bewegung dann lieber Humanismus oder Egilitarismus nennen sollte. Das seh ich anders: Zum Einen besteht die feministische Bewegung schon seit Jahrzehnten und diesem Begriff und hat sich mit den Namen etabliert. Zum Anderen lag und teilweise liegt auch noch ein gewisser Schwerpunkt sicherlich auf den Frauen, da sie immer noch mehr strukturelle Unterdrückung und Diskriminierung erfahren, als Männer. Aber wie gesagt, es geht nicht ausschließlich nur um Frauen.


Um das ganze mal ein bisschen zu konkretisieren, hier ein paar Beispielthemen mit denen sich der Feminismus beschäftigt:
  • Sexuelle Gewalt und rape culture
  • Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen (siehe: equal pay day)
  • Objektifizierung von Menschen, insbesondere von Frauen
  • Frauen in Führungspositionen
  • Vereinbarkeit von Familie und Karriere
  • Homophobie
  • Geschlechterrollen und die Wahrnehmung von „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ in der Gesellschaft („Richtige Frauen“ müssen sich soundso verhalten, und „richtige Männer“ mussen sich soundso verhalten)
  • Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts
  • Sexismus
  • Und gerade in USA: der republikanische „War on Women“ und reproductive Health


EDIT: In diesem Post bin ich noch nicht auf intersektionelle, feministische Ansätze eingegangen. Plane dazu noch einen weiteren Post. Kurzfassung: Eine Form von Unterdrückung/Diskriminierung (also z.B. Sexismus) kann meiner Meinung nach nur funktionieren, wenn man auch andere Diskriminierungsformen (also z.B. Rassimus oder Transphobie) nicht komplett außer Acht lässt. Das gilt für den Feminismus genauso wie für andere soziale Bewegung wie z.B. die Anti-Rassimus-Bewegung. Mein Verständnis von Feminismus schließt also den Kampf gegen Rassismus, Homophobie, Transphobie, Ableismus und weiteren Diskriminierungsformen/Unterdrückungsmechanismen mit ein.

No comments:

Post a Comment