Gestern hat sich der amerikanische
Schauspieler Robin Wiliams das Leben genommen. Er hatte Depressionen
und war alkoholkrank. Mein Newsfeed ist voll mit „RIP“ und
Artikeln über ihn und über Depressionen und Suizid. Ich habe bisher
weitesgehend vermieden Kommentare unter diesen Artikeln zu lesen (wir
wissen ja alle wie das mit Internet-Kommentaren und Trollen ist).
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der ein oder andere
„Selbstmord ist eine so egoistische Entscheidung“-Kommentar dabei
ist.
Ist es das? Ist es egoistisch? Und
noch wichtiger: Ist es wirklich eine (freie) Entscheidung?
Für den Akt sich selbst zu töten
gibt’s es mehrere Begriffe, die bekanntesten sind Selbstmord,
Freitod und Suizid. Ersteres wird heutzutage weitesgehend vermieden,
weil der Begriff „Mord“ eine sehr negative Konnotation hat und
impliziert, dass man jemanden anderen auf die schlimmste und
aggressivste Weiste verletzt. Mord gilt als das schlimmst mögliche
Verbrechen (man könnte jetzt argumentieren sexuelle
Gewalt/Kindesmissbrauch sei ein noch schlimmeres Verbrechen, aber
darum geht’s jetzt in diesem Artikel nicht). Jemand der sich selbst
umbringt, ist kein schlimmer Verbrecher, „Selbstmörder“ und
Mörder sind zwei sehr unterschiedliche Paar Schuhe.
Mein liebe Tante Wiki, sagt zum
Begriff Freitod: „Diese Bezeichnung geht davon aus, dass sich ein
Mensch im Vollbewusstsein seines Geistes und selbstbestimmt
„zur rechten Zeit“ tötet“
Ist das so? Ist man im
Vollbewusstsein seines Geistes und wirklich selbstbestimmt, wenn man
an Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen leidet (denn
90% aller Suizidtoten litten an einer psychischen Erkrankung)?
Ich sage: Nein, ist man nicht. Suizid
(der sowohl von mir als auch von der Wissenschaft präferierte
Begriff) ist keine freie Entscheidung. Sowohl beim Tod von Andreas
Biermann als auch jetzt bei Robin Williams habe ich folgende
Formulierung gelesen: „Er ist seiner Krankheit erlegen“. Die
Formulierung find ich interessant und in gewisser Weise auch sehr
passend.
Depressionen sind wie die Dementoren
bei Harry Potter: Es wird einem die Seele ausgesaugt, man spürt kein
Glück und keine Freude mehr, die ganze Welt ist in grau- und
schwarztönen gefärbt. Entweder man ist emotional tot und spürt gar
keine Gefühle mehr (kein schöner Zustand) oder man ist andauernd
einer Vielzahl schlimmer, negativer Emotionen ausgesetzt. Man spürt
einen ständigen, unertragbaren Schmerz. Auch sonst gelingt nichts
mehr im Leben: Man ist zu antriebslos um einfachste Aufgaben (wie
duschen oder einkaufen) zu erfüllen, man liegt nur noch im Bett,
viele haben Schlafstörungen oder Probleme mit dem Appetit, und auch
die Gedanken drehen sich andauernd nur noch darum was alles schlecht
im Leben war oder ist.
Schwere Depressionen sind ein
unerträglicher Zustand. Die meisten (schwer) Depressiven kommen
irgendwann an einen Punkt an dem sie all das einfach nicht mehr
aushalten können. Der Punkt an dem der Schmerz zu schlimm wird, an
dem man nicht mehr klar denken kann, an dem man einfach nur noch
will, dass alles aufhört. Aushalten ist nicht immer eine freie
Entscheidung, wenn es zu schlimm wird, gibt es die Option Aushalten
einfach nicht mehr.
Dazu kommt, dass ein Symptom von
Depressionen auch Hoffnungslosigkeit ist. Während man in der
Depression ist, ist man überzeugt, dass es nie wieder besser werden
kann. So zu denken, ist Symptom der Krankheit. Wenn man also denkt,
dass man den Rest seines Lebens diese Höllenqualen aushalten muss,
dann ist es naheliegend, dass Suizid oft nur noch die einzig mögliche
Option/Lösung scheint.
„Es gibt für alles eine Lösung“
können nur Menschen denken, die nicht in der Hoffnungslosigkeit und
der schweren Depression gefangen sind.
Auch ich kenne sowohl Suizidgedanken,
als auch die daraus folgenden Handlungen. Es ist ein Kampf. Man ist
ständig hin- und hergerissen, gefangen in der Ambivalenz: Auf der
einen Seite steht der Überlebenstrieb (der ganz schön stark sein
kann, auch wenn man ihn gar nicht haben will) und andere mögliche
Gründe die gegen Suizid sprechen (z.B. der Gedanke an trauerende
Angehörige). Auf der anderen Seite ist der extreme Wunsch dass das
unerträgliche Leid endlich vorbei ist, die Kraftlosigkeit, die
Hoffnungslosigkeit. Diese Ambivalenz kann zwar lebensrettend sein,
ist aber in dem Moment selbst furchtbar: Man fühlt sich zwischen den
Welten gefangen, man kann nicht sterben aber auch nicht leben.
Trotz der einen immer begleitenden
Ambivalenz, gibt es Momente in denen die eine Seite Überhand nimmt:
Wo der Schmerz zu groß wird, der Wunsch nach Ruhe so stark, dass man
nicht mehr klar denken kann, und nur noch die einzige Lösung sehen
kann: Den Suizid. Irgendwann ist man die ständige Qual leid, und tut
das was die einzige Option zu sein scheint.
Wenn man keine anderen
Entscheidungsmöglichkeiten mehr sieht, dann ist der Suizid alles
Andere als eine freie Entscheidung.
Der „Freitod“ ist einer der
unfreisten Sachen, die man machen kann. Robin Williams hat sich nicht
für den „Freitod“entschieden, er ist seiner Krankheit erlegen.
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