Laut Wikipedia bedeutet
Stigmatisierung:
„Unter Stigmatisierung
wird in der Soziologie
ein Prozess verstanden, durch den Individuen bestimmte andere
Individuen in eine bestimmte Kategorie von Positionsinhabern
einordnen,
- durch Zuschreibung von Merkmalen und Eigenschaften, die
diskreditierbar sind;
- durch Diskreditierung
von Merkmalen und Eigenschaften, die diskreditierbar sind;
- durch Diskreditierung bereits vorhandener, sichtbarer
Merkmale und Eigenschaften.
Ein Stigma (griechisch στíγμα für Stich, Wundmal) ist eine unerwünschte Andersheit gegenüber dem, was wir erwartet hätten. Ein Stigma ist eine Verallgemeinerung einer spezifischen Handlung oder Eigenheit einer Person auf deren Gesamtcharakter“
Stigmatisierung von psychisch Kranken bedeutet also, dass man sie aufgrund ihrer Krankheit als Person diskreditiert, diskriminiert und aufgrund der Krankheit ein Urteil über den Gesamtcharakter des Betroffenen fällt.
Andreas Biermann, ein professioneller Fußballspieler (früher bei St.Pauli), hat sich vor einigen Tagen aufgrund seiner Depressionen umgebracht. Er litt seit zehn Jahren an Depressionen. Nach dem Tod von Robert Enke, hieß es in der Öffentlichkeit oft, dass Fußballer und andere Erkrankten auch in der Öffentlichkeit über ihre Krankheit sprechen sollten, dass wir das Stigma und das Schweigen bei Depressionen durchbrechen müssten. Andreas Biermann hat das befolgt und sich kurz nach Enkes Tod auch in der Öffentlichkeit zu seinen Depressionen und vorigen Suizidversuchen bekannt. Im Nachhinein hat er sein „Outing“ bereut, weil er dadurch arbeitslos wurde. „"Den Fußballer Biermann könnten wir gut gebrauchen, aber als Depressiver ist er ein zu großes Risiko", bekam sein Berater während der Vereinssuche oft zu hören." (http://www.sport1.de/de/fussball/artikel_924345.html). Dass ist Stigmatisierung und ist gerade in Anbetracht der nach Enkes Tod geforderten „Offenheit“ heuchlerisch.
Ich persönlich habe meistens gute Reaktionen auf mein „Depressions-Outing“ bekommen. Ich bin allerdings auch nie mit meiner Erkrankung in die Öffentlichkeit gegangen, sondern hab hauptsächlich nur Freunden, näheren Bekannten und Psychologen davon erzählt. Die wenigen nicht-so-hilreichen Reaktionen waren nicht wirklich verurteilend oder stigmatisierend. So wurde mir z.B. sagen, ich sollte einfach mal in den Urlaub fahren, dann wär alles wieder gut oder ich sollte mal zum Friseur gehen, weil wenn ich mich hübsch mache und andere dann positiver auf mich reagieren, dann würds mir auch wieder gut gehen. Oder ich sollte mir ein paar Männer aufreißen, das würde helfen. Und der weit verbreitete Klassiker war „duu depressiv?? Du siehst doch gar nicht depressiv aus“. Doch eine Diskussion hatte ich gerade (und das war wahrscheinlich auch meine Motivation/der Auslöser dafür jetzt diesen Text zu schreiben). In der Diskussion wurde es so dargestellt, als sei es irgendwie beschämend psychisch Krank zu sein, es wurde mit „verrückt“ verglichen und psychisch gesund als „normal“ betrachtet. Es hieß, es sei demütigend jemandem zu sagen er sei psychisch krank und meine Diskussionspartnerin hat so getan als sei „psychisch krank“ eine Beleidigung. Das hat mich gleichermaßen traurig und ärgerlich gemacht.
Auch wenn ich bisher nur in dieser einen Diskussion direkt Stigmatisierung erfahren habe, weiß ich, dass Stigmatisierung von psychisch Kranken ein leider immer noch weit verbreitetes Phänomen ist. Wenn diese auch noch in der Psychiatrie waren, dann wachsen Vorurteile und Stigma ins unermäßliche.
Ich verstehe nicht, wieso gesellschaftlich immer noch so eine große Unterscheidung zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen gemacht wird. Niemand sagt: „Du hast Krebs, dann bist du wohl verrückt“, oder „es ist demütigend/beschämend jemanden als Zuckerkrank zu bezeichnen“, oder „geh mal zum Friseur, dann geht dein Herzinfarkt auch wieder weg“. Niemand schließt von der Tatsache, dass jemand Diabetes hat, auf seinen Charakter. Es gibt sicherlich ein paar wenige psychische Erkrankungen (z.B. bestimmte Persönlichkeitsstörungen), die direkten Einfluß auf die Charaktereigenschaften eines Menschen haben, aber in der Regel sagen psychische Erkrankungen nichts darüber aus, was für ein Mensch der Erkrankte ist. Ja, ich habe Depressionen. Nein, ich bin deswegen kein besserer oder schlechterer Mensch als jemand der psychisch Gesund ist.
Sicherlich spielt es auch eine Rolle, dass die Gesellschaft generell schecht mit vermeintlichen „Schwächen“ umgeht. Auch ein Krebskranker wird auch mit negativen Reaktionen zu seiner Krankheit zu kämpfen haben. Jeder der zugibt krank zu sein, gilt zunächst einmal als „schwach“ und „Schwäche“ ist etwas, dass die meisten Menschen verurteilen und sich nicht eingestehen wollen. Dennoch ist die Stigmatisierung von psychisch Kranken nochmal um einiges stärker, als die von körperlich Kranken. Was macht es für einen Unterschied, ob ich einen Tumor in der Brust oder in der Seele habe? Beides ist schlimm für den Betroffenen, aber beides sagt nichts darüber hinaus was für ein Mensch er oder sie ist.
Ich habe mich für mich entschieden
nur meinem näheren Umfeld (und meinen Psychologen/Ärzten o.ä.) von
meiner Erkrankung zu erzählen und sie nicht z.B. auf Facebook
öffentlich zu machen. Ja, ich gebe zu ich bin vielleicht ein
Schisser, aber ich hab einfach keine Lust auf Stigmatisierung,
Diskriminierung oder irgendwelchen zukünftigen Arbeitgebern die mich
aus diesem Grund nicht einstellen (siehe z.B. Andreas Biermann). Ich
unterstütze jedoch jeden, der mutiger ist als ich und auch in der
Öffentlichkeit zu etwas steht, wofür er sich nicht schämen brauch.
Im Übrigen gibt es ähnliche
Sitgmatisierung auch gegenüber Betroffenen von sexueller Gewalt
(auch mit ein Grund, wieso ich meine Erlebnisse nicht öffentlich
mache). Auch das ist falsch.
Genauso wie natürlich jede Form
von Diskriminierung und Stigmatisierung (z.B. auch gegen
Homosexuelle) falsch ist. Aber gut, das alles in diesem Text
aufzudröseln, würde wahrscheinlich zu weit führen, daher erstmal
der Fokus auf Stigmatisierung von psychisch Kranken.
Ich verstehe nicht, wieso diese
Stigmatisierung besteht, wieso Depressive sich mehr verstecken
müssen, als Herz-Kranke. Sollte ich mich mal mehr eingelesen haben
zu den Gründen hinter dieser Stigmatisierung, und es irgendwann
vielleicht besser nachvollziehen können, halte ich euch auf dem
Laufenden.
Was ist eure Meinung? Wie kommt es
zur Stigmatisierung psychisch Kranker und was kann man dagegen tun?
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